Theologie – Leben pur - Absolventenbericht

November 2011 / AbsolventInnen
theologie leben_pur

Bericht einer Absolventin:

Theologie zu studieren bedeutet ein Wagnis. Sich über zumindest fünf Jahre intensiv mit Philosophie, biblischen Texten und Dogmatik zu beschäftigen, erfordert notwendigerweise auch eine tiefe persönliche Auseinandersetzung mit dem Glauben. Dogmatische Formeln und den Katechismus wiederzukäuen bringt vielleicht durch manche Prüfung, doch das Leben stellt oft andere Fragen.

Die Bedeutung eines liebenden, befreienden, aufrichtenden Gottes persönlich nachzuvollziehen und diese Botschaft authentisch zu verkünden erfordert einen lebenslangen Reifungsprozess, der mit der Diplomprüfung nicht abgeschlossen ist.

Theologie ist kein Studium, Theologie ist Leben pur – oder sie ist gescheitert. Ein akademischer Titel macht sich vielleicht gut im Lebenslauf, doch auf die Probe gestellt wird eine Theologin/ein Theologe, ja, ein jeder Christ und jede Christin in ihrem Leben, in den täglichen Begegnungen mit den Mitmenschen. Ich durfte während meines Studiums der katholischen Fachtheologie, Politikwissenschaft und Philosophie in Wien, Salzburg und Jerusalem, aber auch in meiner Mühlviertler Heimat viele aufrichtende, bereichernde, manchmal herausfordernde Begegnungen erleben, die meinen Glauben und meine theologische Reflexion entscheidend geprägt haben.

Das ökumenische Zusammenleben in der Benediktiner-Abtei Dormitio in Jerusalem und die intensive Begegnung mit Juden und Muslimen haben offenbart, dass die persönliche Begegnung und die Offenheit für den Anderen die Basis für respektvolle Diskussionen und ein gelungenes Miteinander sind. Wider alle Prophezeiungen früherer Jahrzehnte ist Religion nicht tot, sie hat jedoch neue Formen angenommen und steht mit dem politischen Leben in munterer Wechselwirkung. Teilnahmen an European Intensive Programmes in Istanbul und Dublin sowie an der 2. Vienna International Christian-Islamic Summer University haben mir gezeigt, vor welch großen Herausforderungen unsere pluralen, globalisierten Gesellschaften hier stehen.

Die Zeit am Europagymnasium hat meinen bisherigen Werdegang entscheidend beeinflusst. Die stete Ermunterung zum kritischen Denken und selbstständigen Arbeiten, die hervorragende Sprachausbildung und Vermittlung von Präsentationstechniken sind mir bis heute eine gute Basis. Nur wer mit beiden Beinen am Boden steht, sich von festen Wurzeln getragen weiß, kann auch zu neuen Ufern aufbrechen. Bei allem Glück, all den Chancen, die einem zuteil werden, gilt es zuallererst Mensch zu werden.

Nach Abschluss meines Theologiestudiums absolviere ich derzeit ein islamwissenschaftliches Masterstudium an der Universität Birmingham und beschäftige mich intensiv mit frühen Begegnungen zwischen Christentum und Islam sowie der öffentlichen Präsenz und politischen Wirksamkeit von Religion. Als Theologin trete ich in Kirche und Gesellschaft für einen verantwortungsbewussten, offenen, rational nachvollziehbaren Glauben ein, der sich den Herausforderungen der heutigen Welt selbstbewusst, aber auch selbstkritisch stellt. Wie mein Beitrag zu einem gelungenen Zusammenleben in Vielfalt genau aussehen kann, wird die Aufgabe der kommenden Jahre sein. Theologinnen und Theologen sind überall zu finden, nicht nur in Schule und Pfarren, sondern auch in zahlreichen Interessensvertretungen, Medien usw. Besonders verlockend ist dabei der Ruf der Wissenschaft.

Mag.a theol. Michaela Neulinger

Absolventin

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