Geschichte vor Gericht - Der Fall Hiroshima
Schlüssel zum Frieden oder grundloser Massenmord? Die Vergangenheit nicht bloß verurteilen, sondern daraus lernen!
Am 17. Juni 2025 versammelten sich der damals amtierende US-Präsident, Harry S. Truman (Simon Gütl), der für das Manhattan-Projekt verantwortliche Atomphysiker, Robert Oppenheimer (Astrid Kemethofer), und der militärische Oberbefehlshaber der United States Strategic Air Forces in the Pacific, Carl A. Spaatz (Felix Rumetshofer), sowie Anwälte, Richter, Zeugen und Geschworene zu einer Verhandlung, durch die endlich ein moralisches Urteil über dieses grausame Kapitel der Geschichte gezogen werden sollte. Im (fiktiven) Internationalen Schulgericht für historische Gerechtigkeit wurde eine ethische Debatte abgehalten, die nicht nur für Fairness sorgen, sondern auch zum Nachdenken anregen sollte. War der Atombombenabwurf im Sommer 1945 notwendige Maßnahme, um dem Zweiten Weltkrieg ein Ende zu setzen oder gezielter Völkermord?
„Wir stehen heute nicht hier, um Geschichte zu verurteilen, sondern um daraus zu lernen.“
Mit diesen Worten schließt Staatsanwalt Samuel Engelsberger seine Anklage, in der er erläutert, warum der atomare Angriff seiner Meinung nach ein „moralisches Versagen“ war und keiner kriegsstrategischen Notwendigkeit entsprach. Insbesondere angesichts der nahenden und unumgänglichen Kapitulation Japans sieht auch Richter Reinhold Spannlang das Ereignis als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“.
Im Kontrast dazu sind sich Ex-Präsident Truman und der verantwortliche General Spaatz auch einig, dass es die Strategie der Japaner gewesen sei, bis zum Schluss zu kämpfen, weshalb eine Kapitulation des Kaiserreichs ohne Einsatz der neuentwickelten Atomwaffe erst deutlich später und mit hohen Verlusten der eigenen Streitkräfte durchzusetzen gewesen wäre.
Friedensmaßnahme oder Großmachtskalkül?
„Operation Downfall hätte noch mehr Opfer gefordert.“ So rechtfertigt Harry S. Truman den Einsatz der Bombe. Würde er einen Krieg beenden können, so würde er „Little Boy“ wieder abwerfen. Fraglich bleibt für den Richter, ob der ehemalige US-Präsident nicht doch bereits in Prospektion auf den Kalten Krieg gehandelt habe. Das Opfern japanischer Zivilisten für einen Machtvorteil im drohenden Ost-West-Konflikt wäre seiner Meinung nach äußerst bedenklich.
Truman aber beteuert, immer an das große Wohl der Mehrheit gedacht zu haben.
„Schuld und Verantwortung sind zwei komplexe Dinge, die nicht gleichzusetzen sind. Ich habe im Sinne der Welt und meines Landes gehandelt.“
Anwältin Sara Furtlehner erklärt, Truman stand in der Verantwortung, einen Weltkrieg zu beenden, daher war seine Entscheidung notwendig, nicht unüberlegt und keineswegs ein Verbrechen. Sein Ziel war es schließlich, mit einem finalen Paukenschlag das Leid insgesamt zu verkürzen.
Trumans Nachfolger Eisenhower (Sophia Gstöttenbauer) hingegen hätte laut eigenen Angaben den Abwurf nicht für notwendig empfunden. Allerdings war dieser auch Präsident in einer politisch ruhigeren Phase.
„Ich erwachte aus dem komatösen Schlaf, öffnete die Augen und sah den vertrauten Himmel – blau, ruhig, wie immer. Doch alles, was einst darunter lebte, war in Schutt, Asche und Schrecken verwandelt.“
Warum auch immer der 33. Präsident der Vereinigten Staaten die Bombe über Hiroshima eingesetzt hat – eine gänzlich andere Perspektive auf das Geschehene verleiht die Zeugenaussage der Japanerin Toshiko Tanaka. Sie war 1945 sechs Jahre alt und hat, wie sie selbst aussagte, viel Erschreckendes gesehen, das kein Kind sehen sollte. Sie berichtet von brennenden Körpern, entstellten Gesichtern und grenzenlosem Leid der Strahlenkranken und Hinterbliebenen. Ist Tanaka selbst zwar ohne schwerwiegende körperliche Verletzungen davongekommen, verfolge sie der Angriff seither in Träumen – sie habe mit schweren psychischen Problemen zu kämpfen.
Darüber hinaus verurteilt sie, dass als Abwurfziel keine Militärbasis, sondern eine zivile Stadt gewählt wurde.
General Spaatz nennt die große Rüstungsindustrie sowie die Ölfelder und die Mitsubishi-Werke in der Nähe als Gründe, warum die Wahl auf Hiroshima fiel.
„Wir standen einem Feind gegenüber, der bereits ganz Europa und Asien in Brand gesetzt hatte. Wir mussten ein Zeichen setzen, wir brauchten etwas, um den Krieg ein für alle Mal zu beenden. Was hätte ich tun sollen? Den Befehl des Präsidenten missachten?“
Der Richter merkt an dieser Stelle an, dass es durchaus einen Widerspruch zwischen Spaatz und Truman gebe, man schiebe einander Verantwortung zu.
"Ich bin der Tod geworden, der Zerstörer der Welten."
Diesen berühmten Satz hat Oppenheimer, Leiter des Manhattan Projektes, laut eigenen Aussagen nicht aus Stolz, sondern aus Furcht vor der Verantwortung gesprochen. Er habe diesen Posten zudem auch nur angenommen, um dem nationalsozialistischen Deutschland zuvorzukommen, in dem mutmaßlich zeitgleich an der Entwicklung eines derartigen Massenvernichtungsmittels gearbeitet wurde.
Auf die Frage, ob er sich schuldig fühle, antwortet Oppenheimer mit den Worten: „Ich trage Verantwortung. Jedoch hatte ich, als die Bombe in der Hand des Militärs war, keine Entscheidungsmacht mehr.“ Der Vater der Atombombe hätte die Waffe lieber lediglich als Druckmittel eingesetzt gesehen.
Der Bomberkommandant der Enola Gay, Paul Tibbets (Lora Gössinger), der nur wenige Wochen nach dem Trinity-Atombombentest mit seiner Crew die Atombombe bereits über Hiroshima abgeworfen hat, erzählt: „Ja, ich und die Crew wussten von der Bombe, nicht aber über deren Auswirkungen.“ Tibbets verweist auf Befehlsnotstand.
Zentrale Frage bleibt für Richter Spannlang und Staatsanwalt Engelsberger nach wie vor, aus welchen eigentlichen Gründen der Abwurf forciert wurde.
Denn während Spaatz und Truman gar behaupten, der Vorfall habe mitbewirkt, dass Japan heute ein demokratisches und sicheres Land ist und Oppenheimer sich seiner Verantwortung mit der Rechtfertigung, dass er sich zwar über die vollen Folgen bewusst war, aber die Bombe zum Zeitpunkt ihres Einsatzes nicht mehr in seiner Hand lag, entzog, regt sich im Saal dennoch Misstrauen. War der Abwurf der Bombe wirklich nur der schnellste Weg zum Frieden oder schon das erste Manöver in einem neuen, heraufziehenden Machtspiel mit der Sowjetunion? Und hätte es nicht Wege mit weniger verheerenden Auswirkungen gegeben, um dem Krieg ein Ende zu setzen?
„Auch im Krieg ist nicht alles erlaubt.“
Der Staatsanwalt sieht die Hauptverantwortung bei Truman und Spaatz. Schließlich wurden keine diplomatischen Kanäle genutzt. In seinen Schlussplädoyer schlägt Engelsberger eine 20-jährige Haftstrafe für Spaatz vor, für Truman fordert er zehn Jahre – in beiden Fällen für das Nicht-Wahrnehmen ihrer moralischen Verantwortung, die ihnen aufgrund ihrer innegehabten Befehlsgewalt zukomme. Ein endgültiges Urteil wurde auf unbestimmte Zeit vertagt.
Wir können die Geschichte weder ungeschehen machen, noch verändern. Doch wir können sie hinterfragen und daraus lernen.
Gerichtsreporterin: Marlene Kaindl, 6b
Urteil der Geschworenen vom 24. Juni 2025
Im Anschluss an die Reflexion über Verantwortung im vorliegenden Fall verdeutlichten die Geschworenen ihr Urteil mit klarer Differenzierung in der Gewichtung der Schuld:
US-Präsident Harry S. Truman wurde zu 20 Jahren verurteilt, da er hauptverantwortlich für die Entscheidung zum Abwurf der Atombomben war und damit die größte Verantwortung für die Tragödie trägt.
Der militärische Oberbefehlshaber Carl A. Spaatz erhielt mit 10 Jahren eine mildere Strafe, da er hauptsächlich Befehle ausführte, die ihm zwar Handlungsspielraum einräumten, ihn jedoch nicht als zentralen Entscheidungsträger in Erscheinung treten ließen.
Robert Oppenheimer wurde hingegen freigesprochen, weil seine Rolle als Wissenschaftler zwar entscheidend in der Entwicklung der Waffe war, er jedoch keinen direkten Einfluss auf deren Einsatz hatte.
Das abschließende Urteil macht deutlich, dass Schuld und Verantwortung immer im Kontext von Macht, Handlungsspielraum und Entscheidungsbefugnis betrachtet werden müssen.
Vorsitzende der Geschworenen: Marleen Tauber, 7b